Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes
- was ändert sich ? -

Hintergrundpapier des BMU zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes

Eckpunkte des Regierungsentwurfs zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes vom 30. Mai 2001

Berlin, 29.05.2001:

Das Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft wird neu definiert. Erstmals werden im Naturschutzrecht Anforderungen an die gute fachliche Praxis in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft formuliert. Diese ergänzen bestehende fachrechtliche Anforderungen. Dazu gehören z.B. der Erhalt von Saumstrukturen und Trittsteinbiotopen für die Biotopvernetzung, ein ausgewogenes Verhältnis von Tierhaltung und Pflanzenbau, der Aufbau naturnaher Wälder und der Verzicht auf Kahlschlag bei der Bewirtschaftung sowie der Erhalt und die Förderung von Lebensräumen für heimische Tier- und Pflanzenarten bei der fischereiwirtschaftlichen Gewässernutzung. Damit werden Standards für die Agrarwende gesetzt. Es handelt sich um rahmenrechtliche Vorgaben, die von den Ländern konkretisiert werden müssen. Die bestehende Vorschrift über Ausgleichsleistungen für Nutzungsbeschränkungen wird in eine allgemeine Rahmenregelung umgewandelt. Künftig wird den Ländern allein aufgegeben, Vorschriften über den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen zu treffen. Die Einzelheiten bestimmen die Länder.

Zur Stärkung des Naturschutzes und zur Verbesserung der Transparenz naturschutzrelevanter Entscheidungen wird die Beteiligung anerkannter Naturschutzvereine weiterentwickelt. Erstmalig wird im Bundesrecht die Vereinsklage eingeführt. Damit wird den insgesamt positiven Erfahrungen mit den bereits bestehenden entsprechenden Regelungen in 13 Ländern Rechnung getragen. Für Klagen gegen Entscheidungen der Bundesbehörden ist die Regelung abschließend ausgestaltet, die Länder können weitere Vereinsklagetatbestände schaffen. Die Klagemöglichkeit der Naturschutzverbände knüpft an ihre Mitwirkung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren an. Klagefähig sind Planfeststellungen sowie Befreiungen von Ge- und Verboten in Schutzgebieten.

Die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden weiterentwickelt. U.a. ist danach bei Naturschutzmaßnahmen ein frühzeitiger Informationsaustausch mit Betroffenen und interessierter Öffentlichkeit, z.B. Sportverbänden zu gewährleisten.

Zur Sicherung von heimischen Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen einschließlich ihrer Lebensräume und Lebensgemeinschaften wird eine Regelung zur Schaffung eines bundesweiten Biotopverbunds eingeführt. Der Biotopverbund wird definiert als ein "Netz verbundener Biotope".

Elemente des Biotopverbunds sind geeignete Kernflächen, deren Bestandteile, u.a. bestehende geeignete Schutzgebiete oder Teile derselben, sowie Verbindungsflächen (z.B. Flussläufe) und Verbindungselemente (z.B. Kirchturm als Nistplatz für Turmfalken). Der Biotopverbund stellt selbst keine neue Schutzkategorie dar. Die Länder sollen für den Biotopverbund mindestens 10 % der Landesfläche zur Verfügung stellen. Die erforderlichen Flächen sind durch geeignete Maßnahmen (Schutzgebiete, planungsrechtliche Festlegungen, Vertragsnaturschutz u.a.) rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft sicherzustellen.

Die Eingriffsregelung wird verbessert. Das gilt etwa für Eingriffe, die zu erheblichen Veränderungen des Grundwasserspiegels führen. Durch Zusammenfassung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Eingriffs soll sie flexibler und praktikabler gestaltet werden. Damit leistet die Regelung einen Beitrag zur Verbesserung der Durchführung der Eingriffsregelung in der Praxis.

Es bleibt beim Vorrang von Ausgleichsmaßnahmen, wonach ein gleichartiger Ersatz beeinträchtigter Naturfunktionen zwingend ist. Beispiel: Wenn eine Streuobstwiese einem Straßenbauvorhaben weichen muss, bedeutet Ausgleich, dass eine vergleichbare Streuobstwiese in einem engen funktionalen Zusammenhang wieder angelegt wird. Soweit Ausgleichsmaßnahmen aus naturschutzfachlicher Sicht weder angemessen noch verhältnismäßig sind, sind Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Diese müssen auch in Form von Naturalkompensation erbracht werden, d.h. Naturfunktionen müssen in gleichwertiger Weise wiederhergestellt werden. Dies kann auch in Form von Verbesserungsmaßnahmen für konkrete Naturfunktionen erfolgen (Verbesserungen durch Wiederbegrünung von devastierten Flächen).

Die Abwägungsregelung wird für Lebensräume der streng geschützten Tier- und Pflanzenarten verschärft. Der Vollzug wird gestärkt, indem die Länder verpflichtet werden, Regelungen zur Sicherung der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu erlassen (z.B. Flächenkataster). Außerdem gibt das Gesetz einen Hinweis auf die Zulässigkeit von Flächenpool- und Ökokontoregelungen, die auf Ebene des Landesnaturschutzrechts geschaffen werden müssen.

Wir wollen Naturschutz mit den Menschen in einer Kulturlandschaft. Dazu wird der Schutzgebietsteil modernisiert. Das Entwicklungsprinzip wird durchgehend gestärkt. Der Umgebungsschutz und die Möglichkeit, Schutzgebiete in unterschiedlich geschützte Zonen zu gliedern, wird auf dem bereits durch die Rechtsprechung anerkannten Standard eingeführt. Die Nationalparkregelung wird weiterentwickelt; der Prozessschutzgedanke und das Entwicklungsprinzip werden rechtlich abgesichert.

Zur Stärkung des vorsorgenden Naturschutzes ist die Landschaftsplanung nunmehr flächendeckend vorzunehmen. Ausnahmen sind nur für den Fall möglich, dass die vorherrschende Nutzung eines Gebiets den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entspricht und dies planungsrechtlich abgesichert ist.

Energiefreileitungen und Masten sollen so gesichert werden, dass Verletzungen von Vögeln durch Stromschlag ausgeschlossen werden. Dazu wird eine Nachrüstungsverpflichtung für bestehende Anlagen vorgesehen, deren Ziel es ist, innerhalb einer Frist von 8 Jahren Gefährdungen für Vögel auszuschließen.

Im Bereich der Deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandsockels (= jeweils Bereiche von 12 - 200 Seemeilen von der Küstenlinie) wird der Meeresnaturschutz gestärkt. Durch die Änderung der Seeanlagenverordnung werden die Genehmigungsvoraussetzungen bei Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen, z.B. bei Windenergieparks und Ölbohrplattformen, schärfer gefasst. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, aus naturschutzrechtlicher Sicht angemessen auf die steigenden wirtschaftlichen Aktivitäten in der AWZ reagieren zu können. Im weiteren Verlauf des parlamentarischen Verfahrens sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch Meeresflächen in der AWZ unter Schutz stellen zu können. Damit werden die Anforderungen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie im Bereich in Nord- und Ostsee umgesetzt.